Die erste Kreuzfahrt mit über 80: Mittelmeer mit Griechenland, Italien, Dubrovnik
Eine Anreise mit dem Schiff bietet erstaunliche Perspektiven. Manches Mal liegt der Hafen direkt in der Innenstadt. Das bietet eine Einfahrt mit einmaligen Einblicken – auf Balkone und manchmal auch in die Wohnzimmer der Bewohner. In Dubrovnik, Kroatien, geht es für uns innerhalb weniger Minuten vom 50 Meter über dem Meeresspiegel gelegenen Aussichtsdeck – auf Meeresniveau. Wir steigen um vom Luxus-Liner in einen luftigen Katamaran…
Als der Katamaran fast lautlos die schmale Einfahrt in den überraschend kleinen Hafen passiert, wirken die mächtigen Festungsanlagen bedrückend. Sie sollten vor allem den Dauerkonkurrenten Venedig im Kampf um den Handel im Mittelmeer abhalten.
Von Gotik über Barock bis hin zur Renaissance
Bis zu zwölf Meter dick umschließt die Mauer die Altstadt vollständig und lässt die winzigen Steingässchen brennendheiß aufheizen. Die im 16. Jahrhundert fertiggestellte Steinmauer umgibt gut erhaltene Bauwerke von Gotik über Barock bis hin zur Renaissance. Die Altstadt ist autofrei. Ihre Hauptstraße, den Stradun, säumen elegante aber schlichte, dreistöckige Barockhäuser aus unverputztem Stein, ohne Verzierungen und Balkone. Der Stradun führt von Osten, vom Hafen, schnurgerade auf blankgescheuertem Kalkstein-Pflaster zum Pile-Tor, dem einzigen Zugang von Land, im Westen, erklärt die 35-jährige Stadtführerin Ana Marija mir und meinem Vater:
Wir schlendern über die belebte Flaniermeile der ehrwürdigen Stadt. Die ist gerade einmal 300 Meter lang. Unser Schiff würde sie um 30 Meter Länge überragen. In der gesamten Altstadt Dubrovniks leben lediglich rund 1000 Menschen – allein unser Schiff, wäre es voll belegt, würde über 4000 Reisende in die mittelalterlichen Gassen entlassen. In manchen Häfen auf unserer Reise durch das Mittelmeer liegen zwei oder drei Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig im Hafen. Darunter einmal auch das größte der Welt, die „Wonder of the Seas“ der Reederei „Royal Caribbean“. Das Schiff bietet Platz für sagenhafte 7000 Passagiere. An einem Tag strömen also manchmal – je nach Größe der ankernden Schiffe – bis zu 15.000 Menschen aus den Bäuchen der Schiffe in die Innenstadt. So sind die Verhältnisse bei einer Kreuzfahrt.
Es ist die erste Reise dieser Art für meinen Vater Ulrich. Mit 82 Jahren. Nach 30 Jahren ohne Urlaub.
Mein Vater ist nie viel gereist. Seine Auslandsaufenthalte lassen sich an einer Hand abzählen. Wenn er Deutschland verließ, dann besuchte er lediglich Nachbarländer. Oft als Soldat bei der Bundeswehr für Manöver – das hatte nichts mit Urlaub oder Erholung zu tun. Papa lebte immer bescheiden. Eine Reise wie diese, die für einen Rentner auch recht kostspielig ist – wollte er sich nach 30 Jahren ohne Urlaub einmal gönnen.
Wie er sich wenig gegönnt hat, hat er doch immer viel gearbeitet. Noch heute verdient er sich etwas zur Rente dazu – schneidet Hecken und Bäume mit der Motorschere, pflanzt und pflegt Gärten. Einteilen kann er sich seine Zeit ganz unabhängig – seit der Scheidung Mitte der 1980er lebt er allein. Zum Glück hat mein Vater eine Gesundheit wie ein Bär: Er arbeitet bei jeder Witterung. Ob Regen oder Schnee oder die Sommerhitze – extremes Wetter ist er gewohnt, was uns bei dieser Reise im Mittelmeer im heißen Juli 2022 entgegenkommt.
Die Realität an Bord des Kreuzfahrtschiffes besteht vor allem aus drei Dingen: Entertainment, Alkohol und viel Essen. Den ganzen Tag. Von morgens bis abends am Büffet auf Deck 16. Papa, Kriegskind, kann den Überfluss kaum fassen:
Beim Kreuzfahren hat man wenig Kontakt mit dem Meer, das man bereist. Den Kontakt mit dem Wasser muss man aktiv suchen – und braucht dafür allerdings nicht einmal das Schiff zu verlassen. Zum Freizeit-Konzept auf der „Escape“ gehört ein immenser Wasserrutschen-Park.
Rund 20 Meter über dem obersten Deck türmen sie sich wie Lindwürmer auf, die sich aus den insgesamt drei Pools in die Höhe schlängeln und über ein freistehendes Treppenhaus erreicht werden. Schon der Aufstieg, vier Stockwerke hoch, rund 60 Meter über dem Meer, ist schwindelerregend und wäre für die meisten 80-Jährigen körperlich nicht zu bewältigen.
Papa hingegen will nicht auf die behäbige Kinderrutsche, die ich ihm ans Herz lege, sondern auf den spektakulären „Aqua-Loop“, der mir und allen anderen Wartenden Respekt abnötigt. Papa nicht: Er stellt sich in Position auf die zwei Füße, die zur Orientierung auf eine Fallklappe gemalt sind. Diese wird umschlossen von einer mannshohen Plexiglas-Kapsel, durch die ein kräftiger Wasserstrahl läuft. Die durchtrainierte Schwimmeisterin schließt die Kapsel um den Körper meines 82-jährigen Vaters und erklärt ihm, wie er seine Arme zu halten hat:
Es gibt viele Aktivitäten, die man auf und unter Deck machen kann: Vom Kletterwald über der See bis zur Mini-Kegelbahn – einiges allerdings gegen Aufpreis. Die wuselige Ausgelassenheit an Bord gefällt Papa gut, wie sein Fazit der Reise insgesamt positiv ist: