Jean René Legrand wurde noch kurz vor Kriegsende hingerichtet. Er wurde nur 19 Jahre alt.
Festgenommen und verurteilt wegen des Zeigens einer Hitler-Karikatur, ins Deutsche Reich verschleppt und schließlich im Strafgefängnis Wolfenbüttel hingerichtet: Das Schicksal von Jean René Legrand teilten tausende aus politischen Gründen verfolgte Menschen aus den deutsch besetzten Gebieten. Doch Legrand war mit gerade einmal 19 Jahren ein besonders junges Opfer der NS-Justiz. Seine Geschichte ist nun erstmals in der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel zu sehen.
Zwangsarbeit bei der Trümmerräumung
Er und zwei französische Mitgefangene wurden zur Zwangsarbeit eingesetzt . Die Gefangenen der Strafanstalt im heutigen niedersächsischen Wolfenbüttel wurden unter anderem zur lebensgefährlichen Beseitigung von Blindgängern gezwungen oder zum Aufräumen von Bombenschäden. Bei einem dieser Einsätze nutzten die drei jungen Männer die Gelegenheit zur Flucht. Dem dritten Franzosen gelang sie, er überlebte das Kriegsende im hessischen Korbach. Jean Legrand und Marcel Tanniou wurden jedoch von der Gestapo aufgegriffen. Von Kriegsgefangenen hatten sie während ihres Arbeitseinsatzes in Braunschweig Geld für die Flucht bekommen. Bei französischen Zwangsarbeitern aus dem Lager 20 in Salzgitter-Bad fanden sie Zuflucht für eine Nacht. Die Entbehrungen der jungen Männer auf der Flucht – in Feindesland im tiefsten Winter – sind wohl kaum vorzustellen. Nachdem sie aufgegriffen wurden, dauerte es nur wenige Wochen bis zum Todesurteil und der Vollstreckung durch den Scharfrichter Friedrich Hehr (1897-1952). 526 deutschen und ausländischen Gefangenen wurde hier in der Zeit des Nationalsozialismus mit der Guillotine das Leben genommen.
Spielräume im autoritären Staat
Der Vorsitzende des sogenannten Sondergerichts Braunschweig, Dr. Walter Lerche, sorgte noch für eine besonders strenge Auslegung des Urteils, so Blotevogel: „Die Sondergerichte hatten Spielräume. Jemand, dem Plünderung vorgeworfen wurde, drohte nach der sogenannten „Volksschädlingsverordnung“ von 1939 der Tod. Das Haus, aus dem die drei jungen Männer die Kleidung entwendeten, war allerdings schon seit Wochen unbewohnt und die ganze Gegend verwahrlost. Auch nahmen sie nichts mit, um sich zu bereichern, lediglich die Kleidung, die sie für ihre Flucht benötigten. Dieser Umstand wurde von den verantwortlichen Richtern jedoch nicht berücksichtigt. Außerdem wurde auch das jugendliche Alter der Angeklagten (Marcel Tanniou war zum Tatzeitpunkt noch minderjährig) nicht strafmildernd gewertet. Er wurde als Erwachsener behandelt.“
„Was es bedeutet, in einer Diktatur zu leben“ Ob die Eltern je eine Entschädigung vom französischen oder deutschen Staat für ihren Verlust bekamen, bleibt leider im Ungewissen, so Blotevogel weiter. „Ich hoffe, dass durch meine Recherchen vor allem Schülerinnen und Schüler einen Zugang zu dem Unrecht bekommen, das in dem faschistischen Staat herrschte. In die Gedenkstätte kommen viele junge Menschen. Sie können beispielhaft an seinem Schicksal nachvollziehen, was es bedeutet, in der Diktatur zu leben“ erklärt Blotevogel. Die Informationstafel zu Jean Legrand wird in den kommenden Tagen im einstigen Hinrichtungsgebäude aufgestellt werden. Der historische Ort kann nach der Corona-Pandemie seit Mai dieses Jahres nach Anmeldung wieder besichtigt werden. Die Ausstellungsräume der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel sind regulär geöffnet von Dienstag bis Sonntag zwischen 10 und 17 Uhr.