Thomas H. A. Becker

Mannhardts Beziehungen zur hanseatischen High Society

Datum

Mannhardts in Lübeck, Hamburg, Altona

Vollmers, Van der Smissens, Behrmanns: Altona, Hamburg und Lübecker Familien


Vollmers, Van der Smissens, Behrmanns – die Beziehungen zur hanseatischen High Society waren ausgeprägt: Mannhardts standen in enger Beziehung zu Familien der einstigen lübecker, altonaer und hamburgischen Oberschicht. Zu Familien der drei norddeutschen Hansestädte haben sie familiäre und gesellschaftliche Bande geknüpft.


Van der Smissens aus Altona
Am weitesten zurück liegen die Verbandelungen mit den van der Smissens. Johann Wilhelm Mannhardt (geb. am 14.2.1760 in Kleinheppach in Württemberg, gest. am 20.11.1831 in Hanerau) war ein sehr befähigter Mann und wurde nach Absolvierung seines Examens als Magister der Theologie in Tübingen in die Familie des Altonaer Großkaufmanns Jacob Gysbert van der Smissen 1781 als Hauslehrer aufgenommen, wo er sich großer Beliebtheit erfreute. Das ging so weit, dass er seine Schülerin und zugleich älteste der Töchter, Anna van der Smissen (geb. am 8.11.1771, gest. am 20.2.1843) im Jahre 1790 heiratete.
Im Jahre 1795 stellte er sich, inzwischen genügend dafür vorbereitet, endgültig auf den landwirtschaftlichen Beruf ein. Sein wohlhabender Schwiegervater erwarb ihm 1798 das Gut Hanerau für den Kaufpreis von 675.000 Courantmark. Vom schwiegerväterlichen Geld wurden in den folgenden Jahren für Zukauf und Ameliorationen (was man wohl mit Verbesserungen übersetzen kann) noch einmal fast ebenso erhebliche Summen in das Gut Hanerau hineingesteckt. Noch heute leben dort Nachfahren der Mannhardts, u.a. in der Mannhardtstraße, in der auf das Wohn- und Sterbehaus des Dichters Theodor Storm steht, der mit den Mannhardts – von Husum kommend – in seinen letzten Lebensjahren regen Umgang hatte.

Hinrich I van der Smissen – ein mennonitischer Glaubensflüchtling in Altona

Begonnen hatte der Aufstieg der van der Smissens in Altona mit Hinrich van der Smissen (geb. am 24.1. 1662 in Glückstadt; gest. am 1. Juli 1737 in Altona). Er war Bäcker, Unternehmer und Reeder. 1991 wurde – offenbar erneut – eine Straße in Nähe des Hamburger Fischmarktes nach dieser Familie benannt.

Es gab schon 1864 eine Van der Smissen Straße in Hamburg in der Nähe des Fischmarktes

Der Portalstein aus dem Wohn- und Geschäftshaus der Familie van der Smissen vom am Altonaer Fischmarkt um ca. 1770 besteht aus Sandstein. Er wurde 2014 restauriert mit Mitteln der Hans-Jürgen-Werner Stiftung. Das Gebäude wurde im 18. Jhd. An der Ecke Große Elbstraße Nr. 1 und Elbbrücke Nr. 11 erbaut und um 1890 im Zuge der Erweiterung des Altonaer Fischmarktes abgebrochen.

Hinrich I van der Smissen – ein Glaubensflüchtling in Altona. Mennonitische Glaubensflüchtlinge aus den Niederlanden erhielten in Altona schon 1601 religiöse Freiheiten. Kennzeichen ihres Kirchenwesens sind Erwachsenentaufe, Kriegsdienstverweigerung und Ablehnung des Eides. In ihrer neuen Heimat gründeten die Einwanderer Unternehmen und trugen mit ihren Kenntnissen entscheidend zum Wachstum Altonas bei.
Der Mennonit Hinrich I van der Smissen eröffnete 1682 eine Bäckerei am Fischmarkt. Hieraus entwickelte sich eines der bedeutendsten Handelshäuser Altonas das bnis 1824 Bestand hatte.
Um 1700 kaufte er Grundstücke zwischen Palmaille und Elbhang an und stieg zu einem der größten Grundbesitzer der Stadt auf. Außerdem ließ er die erste Verbindungsstraße zwischen Palmaille und Elbhang anlegen und bemühte sich um den Ausbau des Altonaer Hafens.
Nach dem Schwedenbrand 1713 war Hinrich Mitglied der Wiederaufbaukommission. Aufgrund der Gärten, die er auf seinem Grundstück am Elbhang anlegen ließ, gilt er als einer der Begründer der Gartenkultur an der Elbe.

Einer der Söhne von Johann Wilhelm Mannhardt, Wilhelm, verheiratete sich 1831 mit Charlotte, Amalie Höpfner (geb. am 14.8.1809 in Uetersen, gest. am 30.4.1884 in Hanerau) welche in Hanerau am 5.2.1834 den Sohn Julius zur Welt brachte. Dieser Julius Mannhardt stellt die Verbindung dar zu einer weiteren damals prominenten Familie der Hamburger Oberschicht, den Vollmers.

Vollmers aus Hamburg und Venezuela
Im Jahre 1860 heiratete der seinerzeit schon anerkannte Augenarzt Dr. med. Julius Mannhardt eine Tochter des Gustav Julius Vollmer aus Caracas, Mathilde de la Merced Vollmer y Ribas (Rivas) (geb. 1842 auf der Plantage El Palma bei Caracas/Venezuela, gest. 1896 in Lübeck). Er praktizierte bis 1867 in Hamburg, anschließend 2 Jahre in Konstantinopel, es folgten 9 Jahre in Florenz. Seine kinderreiche Familie siedelte er auch in Florenz an. 1878 verlegte er seinen Wohnsitz wieder nach Norddeutschland, nach Hamburg und Hanerau, wo er am 24.11.1893 verstarb.

Aus einer einfachen Hamburger Familie stammend emigrierte der Kaufmann Gustav Julius Vollmer (1805-1865) nach Venezuela und vermählte sich dort mit Francisca Ribas y Palacios. Sie war die Cousine und Alleinerbin von Simon Bolivar (und außerdem eine enge Verwandte des Nationalhelden Jose Felix Ribas). Nach dem Tod seiner Frau 1850 sorgte er allein für seine sechs Kinder und kehrte mit ihnen für deren Ausbildung 1856/7 nach Hamburg zurück. Er verunglückte bei seiner anschließenden Rückkehr nach Venezuela im Kanal von Bristol auf seinem eigenen Segelschiff im Dezember 1865. Seine Nachfahren in Venezuela zählen noch heute zu den bedeutendsten Unternehmern in der Rum-Produktion auf ihrer Hacienda „EL Palmar“.

Hamburger Familie Behrmann
Die Familie Vollmer wiederum war eng verbunden mit der Familie Behrmann. Der Bruder des ausgewanderten Gustav Julius Vollmer, Adolph Friedrich Vollmer (geb. am 17. Dezember 1806 in Hamburg; gest. am 12. Februar 1875 ebenda) war ein deutscher Landschafts- und Marinemaler und Grafiker der Hamburger Schule. Er gehört zu den Vertretern des frühen malerischen Realismus in Hamburg. Adolph Friedrich Vollmer heiratete die Hamburgerin Auguste Amalie Behrmann (1815–1855), Enkelin von Pastor Rudolph Gerhard Behrmann, Archidiaconus zu St. Petri. Er heiratete damit die Enkelin des Mannes, der ihn im Kindesalter getauft hatte.

Rudolph Gerhard Behrmann studierte evangelische Theologie an der Uni Leipzig. 1772 wurde er als Prediger nach Buxtehude berufen. Schon nach einem Jahr, 1773, wurde er zum Diaconus an der Hamburger Hauptkirche St. Petri gewählt. Bei seinem Einführungsgottesdienst am 2. November 1773 erklang eine Festkantatae von Carl Philipp Emanuel Bach, die sich jedoch nicht erhalten hat. An St. Petri blieb er 55 Jahre bis an sein Lebensende, ab 1810 als Archidiaconus (2. Pastor). Die Theologische Fakultät der Universität Leipzig verlieh ihm am 23. Oktober 1821 die Ehrendoktorwürde.

Rudolph Gerhard Behrmann, auch Rudolf Gerhard Behrmann (* 1. Dezember 1743 in Hamburg; † 29. Juli 1827 ebenda) war ein deutscher evangelisch-lutherischer Geistlicher. Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/44/Dr.Rudolph_Gerhard_Behrmann%281743-1827%29.jpg

Er hatte fünf Kinder aus dieser Ehe, unter ihnen den späteren Architekten Johannes Vollmer, und drei weitere Kinder aus zweiter Ehe mit Julie Natalie de la Camp. Eine Tochter aus dieser zweiten Ehe heiratete 1891 den seinerzeit bekannten Gynäkologen Johann Friedrich Ahlfeld. Zwei Enkel des Johannes Vollmer waren der Kunsthistoriker und Enzyklopädist Hans Vollmer (1878-1969) und der Maler und Plastiker Erwin Vollmer (1884-1973). Vollmer gründete im Jahre 1832 zusammen mit 13 Hamburger Künstlern den Hamburger Künstlerverein. Er erblindete 1866 und verstarb 1875 in Hamburg-Friedrichsberg.

Familien Archiv, Eigenes Werk (Scan). Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Adolph_Friedrich_Vollmer#/media/Datei:Adolph_Friedrich_Vollmer.jpg

Text auf Wikipedia: Adolph Friedrich Vollmer, hier ca. 1845. Es handelt sich hierbei um eine retouchierte Kopie einer Daguerreotypie von Hermann Biow; die Kopie wurde im Atelier Willy Wilcke zu Hamburg um 1890-1900 angefertigt. Nach Vollmers Alter, ca. 35 bis 40 zu schätzen, datiert die Daguerreotypie von 1846 oder früher; sie ist somit eine der frühesten kommerziellen Fotographien.

Günther Gensler: Members of the Hamburg Association of Artists 1859. left to right: Günther Gensler, Otto Speckter, Adolph Friedrich Vollmer, Martin Gensler und Hermann Rudolf Hardorff. The painting shows the meeting of the 5 artists on the occasion of critically evaluating the Lukas-Pokal (Lukas-cup). The cup was designed by Martin Gensler and created 1857 by the Hamburg goldsmith Johann Paul Friedrich Sohrmann. Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hamburger_K%C3%BCnstler_1859.jpg

Beziehungen zu Lübecker Patrizierfamilien – den Kulenkamps:
Auch in einer weiteren Hansestadt, in Lübeck, verheirateten sich die Mannhardts mit der Elite. Die Tochter von Julius Mannhardt, Maria Natalia Ignazia Sylvia (geb. am 31.12.1874 in Florenz, gest.am 4.4.1925 in Kreuth am Tegernsee) ehelichte am 4.1.1894 Dr. jur. Eduard Kulenkamp (geb. 1864 in Lübeck, gefallen am 22.4. 1914 in Flandern), einen Sohn des Lübecker Senators und Bürgermeisters Dr. jur. Arthur Gustav Kulenkamp (geb. 1827 in Lübeck, gest. 1895 in Montreux) und seiner Ehefrau Maria geb. von Hein (1840-1872). Von den fünf Kindern des Eduard Kulenkamp verstarben die beiden Söhne im Kindesalter. Die Töchter sind Maria Mercedes verh. Daetz (1895 – 1995), die Diakonissin Sigrid Kulenkamp (1901-1075) und Consuelo Natalia verh. Rutz (1907-1992). Seine Ehe wurde 1914 geschieden, woraufhin sich Eduard Kulenkamp an die Front meldete. Er war zuvor in Lübeck als Rechtsanwalt und Notar, ab 1894 als Amtsrichter und ab 1901 als Landrichter tätig.

Vorfahre Eduard Gottlieb Kulenkamp (* 10. August 1796 in Bremen; † 5. September 1854 in Lübeck) war ein deutscher Kaufmann, Politiker und Konsul. Er war der älteste Sohn des Bremer Kaufmanns und dänischen Konsuls Arnold Kulenkamp (1770–1826) und dessen aus Lübeck stammenden Ehefrau Charlotte Amalie, geb. Platzmann (1777–1862), einer Tochter von Conrad Platzmann (Kaufmann, 1749). 1813 nahm er offenbar als Freiwilliger in der Hanseatischen Legion an den Befreiungskriegen teil.

Eine Bildunterschrift deutet darauf hin, dass möglicherweise der Maler und Grafiker Ernst Ludwig Kirchner (Ernst Ludwig Kirchner * 6. Mai 1880 in Aschaffenburg; † 15. Juni 1938 in Frauenkirch-Wildboden bei Davos/Schweiz) ein Bild von der Frau Kulenkamps, Natalia angefertigt hat (siehe unten).

Von Theodor Kulenkamp, einem Bruder von Dr. jur. Eduard Kulenkamp, Söhne von Senator Gustav Kulenkamp, – ein Nachruf auf den frühen Tod seiner Mutter Maria von Hein (geb. 1840 in Österreich, gest. 1872 in Lübeck).
Diese Frontfotos wurden im Fotoapparat von Eduard Kulenkamp nach seinem Tode am 22.4.1914 bei Ypern in Flandern gefunden.