Opfer steigt auf über 600 – Hilfslieferung für Betroffene in Zone 1
Eine Woche liegt das schwere Beben in Ecuador zurück. Die Zahl der Opfer ist auf über 600 gestiegen, mehr als 130 Menschen werden noch vermisst (STAND 22.4.2016 um 23.00 Uhr). Die gute Nachricht ist, dass immer mehr Hilfslieferungen die betroffene Region im Südwesten des Landes erreichen. Einen Hilfskonvoi von der Millionenmetropole Guayaquil in das Küstendorf Bahia hat Thomas Becker begleitet. In dem 6000-Einwohner-Dorf am Pazifik waren am Samstag 13 Menschen ums Leben gekommen.
Hilfslieferung in das betroffene Gebiet so groß wie Hessen
Victoria sitzt in ihrem schweren Jeep und sucht nach dem Weg. Ob sie links- oder rechtsherum fahren muss, will sie von den Freunden im nächsten Ort erfahren. Die energische 35-Jährige dirigiert eine Kolonne von rund 30 Fahrzeugen durch das Erdbebengebiet, das so groß ist wie Hessen. Sie liefert Hilfsgüter direkt an die Pazifikküste: „Wir helfen Bahia, Canoa, Calceta und San Vicente. Wir haben 4 LKW mit Wasser, Essen und Medizin und wir haben einen Bus mit 30 Ärzten und wir haben auch 70 Personen, die die Trümmer wegräumen helfen wollen.“
„Wir haben 4 LKW mit Wasser, Essen und Medizin und wir haben einen Bus mit 30 Ärzten“
Vicky Megson über ihre Hilfslieferung (3. v.l.)
Spendensammlung mit Handy und Facebook
Innerhalb von nur zwei Tagen hat Victoria nur mit Handy und Facebook die Hilfslieferung zusammengestellt. Der Konvoi verlässt drei Tage nach der Katastrophe die Millionenstadt Guayaquil. Statt der 3 Stunden benötigt er heute 7 nach Bahia. Und alle im Treck sind sehr nervös – die Meldungen von Überfällen häufen sich. In ihrer Verzweiflung haben die Erbebenopfer Hilfslieferungen angegriffen auf der Suche nach Wasser und Essen. Victoria hat 10 private Sicherheitsleute organisiert und eine Polizeieskorte. Die begleitet die Gruppe auf ihrem Weg nach Bahia.
Auf 250 Kilometern Straßen kaum beschädigt
Auf den 250 Kilometern sind die Straßen erstaunlich unbeschädigt geblieben. Lediglich an 3 Stellen muss der Fahrer Rissen und Erdabbrüchen ausweichen. Vor Ort bekommen die Helfer erschreckendes zu sehen, wie diese 31-Jährige berichtet: „Ich habe Wasser und Medikamente zum Vater einer Freundin gebracht. Sein Haus hatte vier Stockwerke und eine Apotheke. Nichts ist mehr davon übrig. Er ist zum Glück woanders gewesen zum Zeitpunkt des Bebens. Aber er hat seinen besten Freund durch den Einsturz verloren: Er schläft jetzt wie alle andere hier im Park und auf der Straße.“
Wasser, Reis und Matratzen ab – Sammellager von bewaffnetem Militär bewacht
Im Hinterhof einer einstöckigen, nur leicht beschädigten Schule ist das Sammellager. Hier lädt auch Victoria Wasser, Reis und Matratzen ab. Das Gebäude wird von bewaffnetem Militär bewacht, um die Verteilung zu organisieren. Trotz 30 Grad im Schatten und weiteren Nachbeben ist die Situation in Bahia jedoch weitgehend gewaltfrei. Hilfe von der Regierung hat es allerdings noch nicht hierher geschafft, so Bürgermeister Manuel Gilces, der die Aufräumarbeiten koordiniert: „In diesem Moment fehlt es an allem: Vor allem Wasser und Strom. Aber Stück für Stück kommt mehr Hilfe von Freunden, die hierher kommen, auch sogar noch in der Nacht.“
„In diesem Moment fehlt es an allem: Vor allem Wasser und Strom“
Bürgermeister von Bahía, Manuel Gilces
In zwei Tagen will sie zurückkommen mit weiterer Hilfslieferung
Und die Nacht am Äquator kommt früh: Ab 7 Uhr abends ist es stockdunkel. Der nun leere Konvoi tritt die Rückfahrt an. Denn Viktoria will keine Zeit verlieren. In 2 Tagen will sie zurück sein in Bahia, mit einer neuen Hilfslieferung. Die Menschen sammeln sich in Gruppen und kochen gemeinsam. Die Lagerfeuer entlang der Straße sind lange Zeit die einzige Lichtquelle auf Viktorias Rückweg nach Guayaquil.