Thomas H. A. Becker

Dr. med. Karl Friedrich Krombach

Datum

Abschrift der „Friedberger Geschichtsblätter“ von 1923

Dieser Text ist eine Abschrift der „Friedberger Geschichtsblätter“ – Beiträge zur Geschichte und Landeskunde der Wetterau. Herausgegeben im Auftrage der Stadt Friedberg durch den „Geschichts- und Altertumsverein“. (herausgegeben 24. November 1923). Verlag C. Bindernagel, Friedberg in Hessen, Kaiserstr. 72.

Karl Friedrich Krombach
Karl Krombach 11.8.1875 (Hohensolms) – 27.11.1918 (Friedberg)

Dr. med. Karl Friedrich Krombach wurde geboren am 11. August 1875 in dem Flecken Hohensolms (Kreis Wetzlar) in Hessen-Nassau. Sein Vater, der Kaufmann Jakob Anton Krombach (1846 – 1885), war der Sohn des Gastwirts Krombach zu Offheim bei Limburg a. d. Lahn. Seine in Gießen noch lebende Mutter Julie (geb. am 26. Mai 1852 zu Wetzlar a. d. Lahn) ist die Tochter des Kanzleirates Fitzler und seiner Ehefrau geb. Weller.


Als es 1870/71 galt, dem Übermut der Franzosen zu steuern, zog J. A. Krombach mit über den Rhein. Bei Grabelotte wurde er durch einen Armschuß schwer verwundet. Und wenn auch die Verwundung geheilt werden konnte, so blieben doch ihre Folgen so ernst, daß der tapfere Kämpfer fünfzehn Jahre später infolge eingetretener Knochentuberkulose sein Leben hingeben mußte. Und wie der Vater 1870, so zog der Sohn 1914 gen Frankreich, um nach vollbrachter Arbeit am Vaterland und für des Vaterlandes Größe mit dem zusammenbrechenden Deutschland dahinzusinken.

Diese Veröffentlichung wurde möglich durch die Arbeit von Doris und Michael Becker. Michael ist Enkel von K. Krombach

Jugendzeit Nach dem Kriege errichtete Vater Krombach ein kaufmännisches Geschäft in dem lieblichen Hohensolms. Dort besuchte der kleine Karl Friedrich vom 6. bis zum 11. Lebensjahre die Volksschule. Nach dem Tode des Vaters, der in dieser Zeit fiel, schickte die energische Mutter in ihrem Gottvertrauen und im Hinblick auf die offenkundigen Anlagen des Knaben den lernbegierigen Sohn 1886 – 1889 auf die Realschule zu Herborn, um ihm den Weg zu den höheren Studien zu eröffnen. Ostern 1889 kam er von da in die Untertertia des Gymnasiums zu Weilburg, von wo er im Herbst des Jahres, nachdem die Mutter inzwischen ihren Wohnsitz nach Gießen verlegt hatte, in das Gießener Gymnasium übertrat. Hier lebte der Knabe sich schnell in die damals unter Direktor Dr. Hermann Schiller stehende Anstalt ein und durchlief sie mit gutem Erfolg.

Ehefrau Krombach, geb. Mannhardt mit Tochter Mathilde 1908-1998

Militärzeit Nach bestandener Maturitätsprüfung (März 1895) trat Krombach am 1. April desselben Jahres als Einjährig-Freiwilliger beim Infanterie-Regiment Nr. 116 (Kaiser Wilhelm) ein, wurde aber schon vor Ablauf des ersten Halbjahres wegen einer schwereren Erkrankung aus dem aktiven Dienst entlassen. Mit Beginn des Sommersemesters 1895 war er zugleich in der Burschenschaft Alemannia aufgenommen worden.
Herbst 1895 begannen die medizinischen Studien. Im Sommersemester 1897 legte Krombach die ärztliche Vorprüfung ab, in den letzten Semestern übernahm er bereits die Vertretung von Ärzten, so 1899 in Darmstadt als Assistent eines Augenarztes, später in Wächtersbach und Großen-Linden. Hier war er bei den Eltern seines Leibfuchses Hepding ein gern gesehener Gast des Pfarrhauses, das ihm manche schöne Stunde und besonders musikalische Anregung vermittelte.

Am 17. Januar 1900 bestand Krombach mit Erfolg das Staatsexamen und trat nunmehr, um sich auf einzelnen Gebieten Spezialkenntnisse zu verschaffen, zunächst als Volontär in die Frauenklinik zu Gießen ein. In dieser Zeit (1. Oktober 1900 bis 1. April 1901) erwarb er sich den medizinischen Doktorgrad aufgrund der Inaugural-Dissertation „Beitrag zur Frage der Ovariotomie in der Schwangerschaft“ (Gießen 1902). Danach arbeitete er vier Jahre lang als Assistent an der Chirurgischen Klinik als Schüler und Gehilfe Prof. Dr. Popperts und erwarb sich die staunenswerten Kenntnisse und die außerordentliche Geschicklichkeit des Operateurs, die ihn auch im Kreise der Besten bedeutungsvoll hervortreten ließen. Ende 1905 begab er sich schließlich noch nach Magdeburg, um in einem orthopädischen Institute (-1906) tätig zu sein. Führwahr: eine glänzende Vorbereitungszeit für den künftigen Arzt!

Hochzeit Mathilde mit Hans Becker. Standesamtlich in Friedberg am 27.05.1933 und kirchlich am 28.05.1933. Foto entstand nach der kirchlichen Trauung in Dieburg (Hessen).
hintere Reihe von links:
Onkel Hermann Gombel, Tante Lisl Gombel, Tante Hedi Mannhardt, Onkel Klaus, Tante Anna Krombach, Großonkel Eduard Becker (Pfarrer und Professor), Onkel Karl . Vordere Reihe von links: Oma Becker, Lisl Gombel, Hans Becker (Opa), Mathilde Becker, geb. Krombach (Oma), Opa Becker

Zeit im Bürgerhospital in Friedberg In Friedberg war damals die Stelle des leitenden Arztes am Bürgerhospital frei geworden und sollte neu besetzt werden. Die Wahl fiel auf Krombach. Freudig nahm er an. Mit frischer Tatkraft, Pflichttreue und Fleiß arbeitete er sich schnell ein und hatte bald Gelegenheit, der Bevölkerung und seinen Kollegen zu zeigen, daß er seiner Aufgabe als Leiter einer Anstalt und als Arzt vollauf gewachsen war. Bald stellte sich aber heraus, daß der etwa 100 Jahre alte Bau des Bürgerhospitals den Ansprüchen der Zeit keineswegs mehr gewachsen war. Es entstand der Gedanke, das vorhandene Anwesen zu einem musterhaften, allen neuzeitlichen Anforderungen entsprechenden Krankenhaus um- und auszubauen. Im Vereine mit dem damaligen Stadtoberhaupte, Bürgermeister Baurat Karl Stahl (1902 bis 1917), entwarf Krombach die Pläne und leitete, nachdem er auf verschiedenen Reisen die Krankenhäuser anderer Städte eingehend studiert hatte, die bald beginnenden Arbeiten. 1910 stand das neue Krankenhaus fertig da, im wahrsten Sinne des Wortes ein Werk Krombachs. Und nun entfaltete der junge Chefarzt eine so hervorragende ärztliche Tätigkeit, daß man von dem Friedberger Krankenhaus bald in weiteren Kreisen sprach. Den Kollegen war er inzwischen mehr geworden als ein vorbildlicher Arzt und Kollege. Er lieferte den Beweis, daß man ein vielbeschäftigter Krankenhausleiter und Operateur sein und doch noch Zeit und Lust finden kann, dem ärztlichen Stand in schweren Zeiten des Kampfes beizustehen und als Mitarbeiter in der Vereinsarbeit sein Teil auf sich zu nehmen.

Karl Anton *06.02.1912 + 05.03.1967

Hochzeit mit Valentine Emilia Mannhardt Am 3. April 1907 verheiratete sich Krombach zu Hamburg mit Valentine Emilia Mannhardt, Tochter des Augenarztes und Philosophen Dr. med. Julius Mannhardt und seiner Ehefrau Matilde geb. Vollmer. Aus dieser Ehe gingen drei Kinder hervor: Matilde Julia (1908), Karl Anton Franziskus (1912), Nikolaus (1913).
Durch sein leutseliges Wesen erwarb sich Krombach bald einen ausgedehnten Bekanntenkreis und wurde einzelnen unter diesen ein wahrer Freund. Zumal in musikalischen Kreisen suchte und fand er Erholung von der anstrengenden Arbeit des Tages. Wie konnte er in solchen Stunden, besonders wenn er selbst mitwirkte, alles vergessen, was ihn sonst beschwerte!
So verliefen die glücklichen Jahre seines Lebens in ungetrübter Harmonie. Nach und nach stellte sich das Bedürfnis nach eigener Scholle heraus. Krombach erwarb ein schönes Besitztum in der Mainzertor-Anlage und hatte gerade seinen Einzug in das Haus gehalten, da kam der Weltkrieg.

Einsatz im Ersten Weltkrieg Sofort meldete er sich, da er einen militärischen Rang nicht bekleidete, als freiwilliger Kriegsarzt und vertauschte bald den Friedberger Operationssaal mit den nüchternen Räumen eines Festungslazaretts in Metz. Frühjahr 1915 wurde Krombach offiziell eingezogen und als Unterarzt verwandt, Herbst 1915 – 1917 war er Assistenzarzt, Herbst 1917 – 18 Oberarzt: in allen Stellungen ordinierender Arzt, zuletzt am Garnisonlazarett III in Metz als Chefarzt der Chirurgischen Abteilung. Im Frühjahr 1917 stand er sechs Wochen bei Pont a Moussson in der Front. 1916 wurde Krombach mit dem Eisernen Kreuz geschmückt. Kurz vor Ausbruch der Revolution befand er sich auf Erholungsurlaub in Friedberg, um die heilkräftigen Bäder der Nachbarstadt zu benutzen. Mit zerrissenem Herzen über die Schmach, die Deutschlands Heldenkampfe folgte, war er gerade seiner Familie wiedergegeben, als ihn das Unglück ereilte, sich bei der Operation eines Soldaten im hiesigen Krankenhaus zu verwunden. Es entstand am 21. November 1918 eine Sepsis, in deren Verlauf in der Nacht vom 26. auf den 27. November der Tod eintrat.

Nikolaus (Klaus) *06.12.1913 + 23.11.1941. Verschollen während des Rußland-Feldzugs


Dr. Karl Krombach war ein Charakter, ein echt deutscher Mann. Unerbittlich scharf im Denken, haßte er nichts mehr als die Oberfläche. Sein Urteil, meist fest zugreifend, war in medizinischen Dingen oft verblüffend richtig. Sein diagnostischer, auf das Wesentliche gerichteter Scharfblick fiel schon an dem Studenten auf und hat sich später, neben der ungewöhnlichen operativen Begabung, als ein besonderer Vorzug entwickelt. Diese Sicherheit des Urteils und der Hand verschaffte ihm in kurzer Zeit bei der Bevölkerung ungewöhnliches Vertrauen. Nichts lag ihm ferner als die Pose, und wer unter seinen Freunden gelegentlich diese oder jene Ansicht über Welt und Menschen aus seinem Innersten heraus vernehmen durfte, der mußte staunen über die abgeklärten Anschauungen, die er sich schon in jungen Jahren erworben hatte. Daß er dabei gelegentlich über die Stränge schlug, bewies nur die Reinheit seines Empfindens, die Schärfe seiner Schlüsse. Auf sein Urteil und seinen Rat in den Fragen des Lebens und der menschlichen Gemeinschaft konnte man sich verlassen. Unter etwas rauher Schale verbarg sich ein edler Kern. Eine Weichheit des Empfindens, ein kindlich reines Geben und Nehmen in allen Fragen der Bildung, ein ehrlich dankbares Gemüt, wie es nur wirklich bedeutende Menschen besitzen können, übten geradezu einen Zauber auf die aus, mit denen er sich eins glauben durfte. Und wem er unter diesen ein wahrer Freund geworden, dem hielt er die Freundschaft mit deutscher Treue bis ans Ende.

„Unter etwas rauher Schale verbarg sich ein edler Kern“

Verhältnis zur Musik Ganz besonders liebte er die Musik, obwohl er nicht über das gewöhnliche Maß musikalisch begabt war. Aber er hatte einen instinktiven Sinn für das Große und Edle, nachdem er einmal auf die richtige Bahn gekommen war, und wußte zutreffende Urteile abzugeben, ohne eigentlich vom Fache zu sein. Noch in späteren Jahren hatte er zu seiner geliebten Flöte das Spielen der Oboe bei dem Frankfurter Meister Koch gelernt und war soweit fortgeschritten, daß er in Kammermusik und Orchester seinen Mann stellen konnte. Gerne las er außer der medizinischen Literatur, in der er sehr kritisch war, Reisebeschreibungen und Lebensbilder hervorragender Männer, insbesondere von Politikern und Musikern. In Romanen zogen ihn gute Naturbeschreibungen und die Werdegänge interessanter und starker Charaktere an.

Herzlichen Dank an den Friedberger Geschichtsverein

Burschenschaft Mit ganzem Herzen hing er an seiner Burschenschaft. Einer seiner Verbindungsbrüder erzählt aus dieser Zeit: Sein unbedingt ehrlicher, zuverlässiger Charakter, sein gesunder Menschenverstand, sein klares Urteil, das er sich bald über alle studentischen Fragen bildete, sicherten ihm rasch eine angesehene Stellung unter seinen Bundesbrüdern. Er war ein fröhlicher Student und genoß die damalige Form des Burschenlebens mit vollen Zügen. Dabei blieb er sich stets bewußt, daß er als Sohn einer Witwe seine Studienzeit ausnützen müsse, um rechtzeitig die Examina zu machen, und in den Konventen legte er stets Wert darauf zu betonen, daß auch das Studieren zum Studentsein gehöre. Unnatürliches Auftreten, leeres Phrasendreschen und hohles Pathos waren ihm verhaßt. Er war kein Schwätzer. Mit knappen Worten traf er fast immer den Nagel auf den Kopf. In seiner Ausdrucksweise war er nicht gerade wählerisch, aber jeder, der ihn näher kannte, wußte, daß man sich auf sein treues Herz unbedingt verlassen konnte. Seine Kraft und Gewandtheit, seine Unerschrockenheit und rasche Entschlossenheit, sein gutes Auge ließen ihn bald zu einem ausgezeichneten Fechter werden. 1896 war er bereits 1. Chargierter (Sprecher) der Verbindung und erwarb sich in steigendem Maße den entscheidenden Einfluß auf der Burschenschaft. Auf Jahre hinaus ist er unbestritten der geistige Führer der Alemannen gewesen. In späteren Semestern war er oft als Paukarzt tätig, und sein „Flicken“ hat sich selbst bei schweren Abfuhren stets bewährt. Auffallend war schon damals die ruhige Sicherheit, mit der er sofort erkannte, was zu geschehen hatte, und die große chirurgische Begabung. Krombach war ein guter Wanderer und tüchtiger Schwimmer.

Besuch im Haus Krombachs Mainzertor-Anlage 2018 von Enkel Ulrich und den Urenkeln Thomas (links) und Martin


Zu ausgedehnter wissenschaftlicher Betätigung ist Krombach nicht gekommen. Das ist sehr schade. Denn er hatte manches zu sagen. Und vieles, was andere veröffentlicht haben, hatte er selbst oft schon viel früher erkannt und praktisch verwertet. Zudem lag es nicht in seinem Wesen, sich über Gebühr aufzuspielen.
Soviel nachträglich zu ermitteln ist, hat Karl Krombach zwei wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht. Einmal die oben bereits erwähnte Inaugural-Dissertation „Beitrag zur Frage der Ovariotomie in der Schwangerschaft“, Gießen 1902. Ferner die Arbeit: „Asepsis oder Antisepsis?“ in der Zeitschrift „Fortschritte der Medizin, in der er sich für eine verständige antiseptische Behandlung verunreinigter Wunden einsetzt. Zu erwähnen sind vielleicht auch einzelne Vorträge, die Krombach gehalten hat, u.a. in der Gießener medizinischen Gesellschaft und im Kreise der Militärärzte zu Metz. Letzterer machte s. Zt. einiges Aufsehen, da sich der Vortragende – es handelte sich um die Behandlung von Genickstarre – in starkem Gegensatz zu dem leitenden Generalarzt befand. Krombachs Ansichten erwiesen sich als die richtigeren.

„Die Revolution 1918 hat verhindert, dass einer seiner Kollegen ihm helfen konnte“ Mathilde Becker zum Tod ihres Vaters

Was Dr. Krombach seinen Patienten gewesen ist, wie er mit ihnen gefühlt, mit ihnen gebangt und sich gefreut hat, das mag die große Zahl derer bezeugen, die ihm Leben oder Gesundheit verdanken. Noch in fernen Jahren wird sein Andenken gesichert sein. Und wie ganz besonders unsere tapferen Kämpfer, aus dem Weltkrieg ihm dankbar waren und bleiben, braucht erst recht nicht betont zu werden. Jeder Kranke, der in seine Behandlung kam, war ihm ein Stück seiner selbst, für das er einstehen mußte; und keine Mühe, keine Sorge war ihm lästig, ehe er seine Aufgabe als gelöst betrachten konnte. Ein Menschenfreund in des Wortes edelster Bedeutung ist mit ihm allzu früh dahingegangen.