Thomas H. A. Becker

Die „Schwarzen Listen“ im Zweiten Weltkrieg

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Schicksal deutscher Einwanderer in Südamerika

Ein wenig bekanntes Kapitel des Zweiten Weltkrieges sind deutsche Geschädigte in Südamerika. Nach dem Kriegseintritt der USA wurde viele ehemalige Einwanderer – besonders deutsche und italienische Familien – auf beiden amerikanischen Kontinenten verhaftet. Sie wurden enteignet und zum Teil bis 1946 in Lagern in den USA interniert. Grundlage waren die sogenannten „Schwarzen Listen“, die listas negras, auf denen sich eigentlich nur Spione finden sollten. Aber auch ganze Familien und Kinder wurden verhaftet. Zeitzeugen berichten.

Ausschnitt aus dem Bericht über die listas negras
Otto Schwarz, 86, mit dem Original-Pass seines Vaters aus dem Gefangenenlager in Texas

Otto Schwarz ist 86 Jahre alt. Er hat den ecuadorianischen Pass aber deutsche Wurzeln. Und die wurden ihm zum Verhängnis: Erst wurde sein Vater verhaftet, später die ganze Familie nach Texas in ein Strafgefangenenlager gebracht. Er war damals 11 Jahre alt. Der Vorwurf: Spionage für Hitler-Deutschland. Allerdings war seine Familie schon 1922 nach Ecuador ausgewandert und hatte nie etwas mit den Nationalsozialisten zu tun gehabt. Es war eine ulkige Geschichte, erzählt er. Das amerikanische Konsulat hat zu dem Polizei-Chef gesagt hat: für jeden deutschen Nazi kriegst du 100 Dollar. Und da waren die ganzen Deutschen Nazis.

„Für jeden deutschen Nazi kriegst du 100 Dollar“
Otto Schwarz über die „Schwarzen Listen“

Die Historikerin Jenny Estrada hat ein Buch über die Schwarzen Listen veröffentlicht. Sie sieht keine politischen, sondern wirtschaftliche Gründe hinter den Verhaftungen hunderter Emigranten und ihrer Familien. Viele arbeiteten damals in gewinnbringenden Betrieben wie dem Kautschuk-Handel. Diese Konkurrenz konnte man mit Hilfe der Schwarzen Listen ausschalten: „Kautschuk brauchte man zum Beispiel im Fahrzeug-Bau. Und nach den Verhaftungen von vielen südamerikanischen Produzenten wurde der Handel nur noch über Nordamerika abgewickelt. Es entstand ein Monopol und genau das wollten sie mit den listas negras erreichen: Die US-Amerikaner wollten den Handel Südamerikas kontrollieren.“

Etwa 13.000 Betriebe und Privatpersonen waren in Lateinamerika betroffen. Die Liste wurde 1941 von US-Präsident Roosevelt ins Leben gerufen. Mit der Durchsetzung beauftragt war Nelson Rockefeller, aus der mächtigen und steinreichen Rockefeller-Familie aus New York:
„Er hatte zu dieser Zeit in Ecuador unumschränkte Macht. Er musste die Regierung nicht um Erlaubnis fragen und hatte sogar seine eigene Polizei. Innerhalb von 24 Stunden konnte Rockefeller jeden verhaften und enteignen lassen. Sogar Ärzte durften Deutsche nicht mehr behandeln, Apotheker keine Medizin verkaufen, weil sie dann selbst auf der Schwarzen Liste landen konnten.“

Auch Ramon Sonnenholzners Familie hat ihren Besitz verloren. Der 59-Jährige lebt heute auf einer Hacienda mit Pferden, Kühen und 30 Büffeln. Sein Opa stand auf der Liste. Der hatte sich allerdings freiwillig zur Wehrmacht gemeldet, um für Hitler zu kämpfen: „Er hat zu meiner Oma gesagt – Evita – so heißt meine Oma, Evita, ich gehe nach Deutschland, ich komme bald wieder wir werden den Krieg gewinnen. Und das kam nicht, die haben den Krieg verloren und ich habe meinen Opa verloren.“

Don Ramon jedoch trauert dem Besitz nicht nach. Ihn machen noch heute die Auswirkungen auf die Kinder traurig, die damals in der Schule wegen ihrer Herkunft verspottet wurden: „Die listas negras waren zum großen Teil ein materieller Prozess. Die [sic!] andere Druck war über den Geist der Leute. Das ist schlimm. Geld kann man verlieren. Aber über die Spiritualität, über den Geist von den Kindern. Das ist schlimm!“