Thomas H. A. Becker

Welthauptstadt des Kakaos

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„Chiquito Paris”, Klein-Paris: Vinces in Ecuador

Er gehört zu den feinsten der Welt: Mehr als 80% des Bedarfs an Edelkakao wird aus Ecuador gedeckt. Die fruchtbaren Böden und das Klima am Äquator machen sein Aroma weltweit einzigartig – und machten die Kakaoproduzenten um die Jahrhundertwende steinreich: Ganze Straßenzüge in Paris haben die neureichen Kakao-Barone aus Ecuador aufgekauft. Die meisten kamen aus der Stadt Vinces.

Reportage über Kakao für den Bayerischen Rundfunk – Radio Reisen
Die „goldene Bohne“ – Kakao – hat Vinces einst reich gemacht

Die Promenade von Vinces hat bessere Zeiten gesehen
An der tropischen Pazifikküste haben sie sich sogar den Eifelturm in klein nachgebaut. Doch der Reichtum ist lange schon verblasst. Im ersten Weltkrieg brach die Produktion ein, der Ruf als „chiquito Paris“, als Klein-Paris wirkt heute wie blanker Hohn: Kolonialhäuser verfallen, die übermütig gestaltete Flusspromenade fault vor sich hin. Molina geht durch eine Kakao-Plantage. 5 Meter ragen die Bäume in die Höhe. Ihr Blätterdach spendet Schatten. Trotzdem ist es unerträglich heiß und feucht. Seit 20 Jahren schon arbeitet Eduardo auf Kakaoplantagen. Seine Haut ist von der Sonne gegerbt, man sieht ihm an, dass er viel Zeit damit verbringt, die Pflanzen zu pflegen. Wir sind in der Nähe von Vinces unterwegs, eine Kleinstadt in der Provinz Los Rios, im Herzen von Ecuador.

Hier wird der Kakao professionell getrocknet. Anderswo auch schon mal auf der Straße

Der beste Kakao der Welt
Von diesen Plantagen, aus dieser Gegend kommt Kakao der Sorte „Nacional“. Manche sagen, es ist der beste Kakao der Welt. Ende des 19. Jahrhundert war Schokolade das Mode-Getränk. Die ganze Welt wollte plötzlich den bitter-süßen Geschmack genießen. Und nicht nur für die High-Society gehörte es zum guten Ton, Gästen eine Tafel Schokolade oder Pralinen anzubieten. Der Boom wurde zum Großteil aus Ecuador befriedigt, von hier kam der beste Kakao in riesigen Mengen – vor allem aus Vinces.

Bürgermeister Cristian Raúl Villasagua erinnert sich an die Boomjahre seiner Stadt: „Die Geschichte unserer Stadt ist eng verknüpft mit der Geschichte unseres ganzen Landes und vor allem mit dem Kakao-Boom um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert. In dieser Zeit entstanden die riesigen Haciendas mit ihren Kakaofeldern. Vor allem die Franzosen haben unseren Kakao gekauft und geliebt. Und wegen des Handels sind auch immer mehr Haciendabesitzer nach Paris gereist, haben die Stadt kennengelernt und sind gleich dort geblieben.

Nachhaltige Produktion
Zurück auf der Plantage bei Eduardo Molina. Er arbeitet für Cofina, einen der größten Kakao-Produzenten Ecuadors. Die Firma beliefert auch internationale Schokoladen-Produzenten und hat sich auf nachhaltige Produktion spezialisiert: „Es gibt Bäume, die sind viel älter als wir, die sind 70 Jahre und produzieren immer noch, manche bis 80 Jahre. Dann sind sie Produktoren und wir müssen nur ein bisschen die Krankheiten bekämpfen. Aber auf natürliche Weise! Wir wählen über die Jahre einfach die kräftigsten Bäume aus. Die beschneiden wir, pfropfen sie auf andere Stämme auf und so erhalten wir eine widerstandsfähige Population. Wenn die ihren Zyklus haben können sie sich natürlich erneuern. Früher haben die Bauern gespritzt. Das wollen wir ihnen abgewöhnen, denn der Kakao-Baum muss nur gepflegt werden, aber nicht gespritzt.

Früher haben die Bauern gespritzt. Das wollen wir ihnen abgewöhnen

Eduardo Molina

Die Kakao-Produktion ist einfach und übersichtlich: An den Bäume wachsen von November bis Februar die prallen Kakao-Schoten, die aussehen wie ein American Football. Nur halb so groß. Diese Schoten werden Mazorcas genannt.

Vom Weltruhm bis zur Bedeutungslosigkeit
Vinces hat eine einmalige Geschichte durchgemacht. Aus einem verschlafenen Nest im Hinterland Ecuadors wurde rund 50 Jahre lang die Welthauptstadt des Kakaos. Dann versank sie wieder in der Bedeutungslosigkeit. Der große Glanz des „Chiquito Paris“ ist wohl für immer dahin. Daran wird auch der Mini-Eiffelturm nichts ändern. Aber das Engagement der Bauern, die hier mit ganzem Herzen Kakao anbauen, könnte Vinces wieder etwas Stolz verleihen. Denn der Kakao von hier ist immer noch einer der besten der Welt.